Who´s perfect?
von Martin Göhler
Alles muss passen. Der erste Kontakt per Telefon, WhatsApp oder Mail muss stimmen. Was er oder sie sagt, die Redezeit, die Aussprache, die Tonlage. Beim ersten Date muss es funken. Das Aussehen, die Figur, kein Haar an der falschen Stelle, das Auftreten. Das Zusammenkommen muss großartig sein. Verlieben auf den ersten Blick, der erste Kuss, der erste Sex, das Zusammensein. Die Partnerschaft muss erfüllend und glücklich sein. Am Anfang und für immer. Alles muss perfekt sein. 100 oder 0. Abweichungen sieht der Plan nicht vor. Ansprüche sind das eine, die Realität häufig eine andere. Frust und Enttäuschung ist die Folge. Das lässt sich vermeiden.
Kürzlich traf ich in der Stadt einen Freund, den ich eine Weile nicht mehr gesehen hatte. „Und, wie geht’s Dir“, fragte ich ihn. „Alles super“, war die Antwort. Da wir beide Zeit hatten, gingen wir etwas trinken. Noch bevor der Kaffee serviert wurde, erfuhr ich, dass seine Frau eine Affäre hat und er im Job erheblich unter Druck steht. Außerdem kämpfte er immer noch mit den Folgen eines Fahrradunfalls. „Alles super“ sieht irgendwie anders aus, dachte ich mir.
Anspruch und Wirklichkeit klaffen häufig auseinander wie Anfang und Ende der Golden Gate Bridge. Alles hat perfekt zu sein. Schließlich schaffen das alle anderen ja auch. Das ist zumindest der Eindruck, den die 648 Facebookfreunde vermitteln. Lachende Gesichter, tolle Reisefotos, eng umschlungen mit dem Traumpartner, Essen nur vom Feinsten. Das Leben der anderen ist perfekt, also muss meines ebenso perfekt sein. Mindestens.
Perfektion, diesen Anspruch haben wir nicht nur an andere, sondern auch an uns. Bei unseren 685 Facebookfreunden läuft alles perfekt. Dem wollen wir in nichts nachstehen. Was aber bedeutet eigentlich Perfektion? Der Duden beschreibt sie als „höchste Vollendung in der Beherrschung und Ausführung von etwas“, als „vollkommene Meisterschaft“. Wikipedia definiert Perfektion als Vollkommenheit oder Unfehlbarkeit. Vollkommenheit ist ein Zustand, „der sich nicht noch weiter verbessern lässt […] im Sinne von Makellosigkeit, ein von Beschädigungen freier Zustand und im Sinne von zum Vollen kommen bzw. Vollendung (lateinisch perfectio), also als finales Ergebnis, […] einer abschließbaren Serie von Verbesserungen als absolute innere Zweckmäßigkeit, […] der makellose bzw. vollendete Zustand ist jeweils ein Maximum des jeweils Erreichbaren …“
Niemand und nichts ist perfekt
Nach diesen Definitionen kann kein Mensch, keine Sache, nichts auf der Welt jemals perfekt sein. Es gibt nichts, was nicht in irgendeiner Form besser gemacht werden könnte. Nichtperfektion ist nicht gleichbedeutend mit schlecht, in welchem Kontext auch immer. Es kann etwas gut sein und trotzdem Potenzial haben, noch besser zu werden. Es können sich morgen neue Möglichkeiten ergeben, um es zu optimieren. Dem begegnen wir häufig beim Coaching. Gefällt einem eine Situation nicht, ist es klar, dass man Unterstützung sucht. Geht es einem dagegen gut, hört man Sätze wie beispielsweise „Coaching – brauche ich nicht. Mir/uns geht’s gut“. „Prima“ ist man geneigt zu sagen, „und was machst Du/macht Ihr, damit das auch so bleibt?“ oder „Hältst Du es für möglich, dass es Dir/Euch noch besser gehen könnte?“
Das Streben nach Perfektion hat einen weiteren Haken. Was würde beispielsweise mit einer Beziehung passieren, wenn das „Maximum“, ein „vollendeter Zustand“ erreicht ist? Game over, nichts geht mehr. Der Gipfel ist erreicht – und von dem Punkt geht es nur noch bergab. Eine perfekte Beziehung hätte keine Tiefen mehr. Somit gäbe es aber auch keine Höhen mehr. Denn Höhen bedingen Tiefen. Das Ziel Perfektion ist unerreichbar.
Warum aber streben wir nach etwas, was einerseits unerreichbar, andererseits wenig attraktiv ist? Der Grund dafür ist, dass wir eine subjektive Perfektion anstreben. Menschen, Dinge und Situationen sollen nicht per se perfekt sein, sondern unseren Vorstellungen entsprechen. Damit machen wir unsere Maßstäbe zur Direktive der Perfektion beziehungsweise dem, was wir dafür halten. Jeder entscheidet, was für ihn perfekt ist, was er als perfekt bewertet. Das kann man machen, sollte sich jedoch bewusst sein, dass man sich damit auch zum Richter darüber macht, was falsch und was richtig oder eben perfekt und nicht perfekt ist. Subjektive Perfektion ist damit nichts anderes als eine persönliche Bewertung – und die ist niemals perfekt.
Alles ist perfekt
Wenn also nichts perfekt ist, ist alles perfekt – jedenfalls in diesem, aktuellen Moment. Der scheinbare Widerspruch löst sich auf, wenn man den Standpunkt einnimmt, dass jeder Mensch, jede Sache und jeder Zustand zu jeder Sekunde perfekt ist – und zwar so, wie er ist. Wäre dem nicht so, hätte man es anders gemacht. Das bedeutet nicht, dass es morgen nicht anders sein kann. Aber auch dann ist es wieder perfekt.
Dieser Standpunkt ist weder falsch, noch ist er richtig. Keiner der beiden Standpunkte ist besser oder schlechter als der jeweils andere. Die entscheidende Frage ist, mit welchem Standpunkt fühle ich mich wohler, mit welcher Sichtweise erreiche ich meine Ziele eher oder eher nicht? Welcher Standpunkt ist in Bezug auf meine Vorstellung eines glücklichen Lebens funktionaler?
Ein Vorteil des Standpunkts „Alles ist perfekt“ ist, dass dann auch die Falte über dem linken Augen, das kleine Bäuchlein, die Bedienung im Restaurant, das Hotelzimmer im Urlaub, das Wetter am Wochenende, mein Partner und meine Beziehung genau richtig sind. Damit sind sie kein Anlass für Ärger, Wut und Unzufriedenheit. Zustimmung zum Status quo ist nicht gleichbedeutend mit etwas gut zu finden oder sich mit etwas abzufinden. Besteht Optimierungsbedarf, hat es jeder selbst in der Hand, diesen zu initiieren und Veränderungen einzuleiten. Miese Laune oder schlechte Gefühle sind dazu nicht notwendigerweise erforderlich.
Ich bin perfekt, Du bist perfekt
Die Strahlemanns bei Facebook sind ebenso glaubhaft, wie die attraktive, junge Strandschönheit im Bikini, die Werbung für Schlankheitsmittel macht oder das parshipende Topmodel. Sie alle vermitteln das Bild einer heilen, perfekten Welt, in der man selbst der einzige zu sein scheint, dem es im Moment nicht gut geht, der Probleme im Job, mit dem Partner, den Kindern oder den Schwiegereltern hat, der sich keinen 5-Sterne-Urlaub im Luxus-Ressort leisten kann (oder will) und auch das Abendessen nicht in einem von Gault Millau mit drei Hauben ausgezeichneten Lokal zu sich nimmt. Über diese Messlatten muss niemand springen. Und wenn es mir schlecht geht, ich nicht gut drauf bin oder auf irgendetwas oder irgendjemand den Megabrass habe, dann kann ich damit auch meine Umwelt konfrontieren und muss nicht krampfhaft so tun, als wäre „alles super“. Wenn es kein Dauerzustand ist, ist es völlig in Ordnung, schlecht drauf zu sein. Für diesen Moment ist das dann auch perfekt. Und glauben Sie nicht, Ihren Facebookfreunden, der Strandschönheit oder dem Topmodel ginge es anders.
Fazit: Sie sind perfekt – und Ihre Mitmenschen ebenso.
Wenn Sie Fragen haben oder Ihre Perfektion perfektionieren möchten, dann rufen Sie einfach an.
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