Frauen sind Sammler und Männer sind Jäger
von Martin Göhler
Du sammeln, ich jagen
160.000 Jahre alte Schädelknochen des Homo sapiens aus Äthiopien gelten derzeit als älteste, Menschen zugeordnete Funde. Der Homo sapiens existiert also schon seit einer ganzen Weile. Das Überleben war vom Vorhandensein bestimmter Skills abhängig. Diejenigen, die diese Skills besaßen, pflanzten sich fort. Das von Darwin geprägte Phänomen Survival of the Fittest, häufig fälschlicherweise als Überleben der Fittesten übersetzt, besagt, dass diejenigen die größte Chance haben zu überleben, die sich am besten an ihre Umwelt angepasst haben. Und wer überlebte, durfte sich fortpflanzen; die anderen nicht, weil sie vorher vom Säbelzahntiger gefressen wurden.
Die ständige Selektion hat in den letzten rund 200.000 Jahren zur Ausprägung und Verstärkung bestimmter Skills geführt, andere dagegen sind ausgestorben. Ebenso hat sich eine bestimmte Rollenverteilung zwischen Männern und Frauen herausgebildet. Auch hier ging es ausschließlich ums Überleben. Diese Neandertalesische Rollenverteilung umfasst, dass Männer zur Jagd gingen, um Nahrung für die Familie zu besorgen, während sich Frauen um den Nachwuchs kümmerten und in ihrem Umfeld Beeren und Früchte sammelten. Ob der Grund ist, dass sie den Jagdkünsten ihrer Männer nicht trauten oder ob es damals schon um ausgewogene Ernährung ging, ist nicht überliefert.
Um als Jäger erfolgreich zu sein, war es (und ist es heute noch) notwendig, die potenzielle Beute so genau wie möglich zu beobachten, die volle Konzentration und den ausschließlichen Fokus darauf zu richten und im passenden Moment zuzuschlagen. Wer das meiste Fleisch nach Hause brachte, war der Held. Frauen lieb(t)en Helden, da sie sie und ihre Sippe satt machten. Insofern hatte ein erfolgreicher Jäger gleich einen weiteren Vorteil.
Die Aufgabe der Frauen war es, die Kinder zu beaufsichtigten, Gräser, Beeren und Früchte zu sammeln und dem Jäger nach seiner Rückkehr eine gute Zeit zu bereiten. Weibliche Rundungen wurden damals mit Fruchtbarkeit assoziiert und finden auch heute noch bewundernde männliche Beachtung.
Wir leben nicht mehr in der Steinzeit. Wir haben uns weiterentwickelt und es gelten heute andere Normen, als vor zehn, hundert, tausend oder hunderttausend Jahren. Darum geht es auch nicht. Es geht darum, dass das Überleben der Menschheit auf die Ausbildung bestimmter Skills zurückzuführen ist. Es ist daher auch wenig verwunderlich, dass die über weit mehr als 10.000 Generationen immer besser ausgeprägten Eigenschaften nicht in einer vergleichbar kurzen Zeit von 50 oder 100 Jahren plötzlich verschwinden und durch andere, der Zeit entsprechende Eigenschaften ersetzt werden. Auch die Chauvinisten-Keule darf in der Handtasche bleiben, es geht nicht um eine gesellschaftspolitische Diskussion.
Hierarchie menschlicher Bedürfnisse
Wenn es also darum nicht geht, worum geht es dann. Die vom US-amerikanischen Psychologen Abraham Maslow aufgestellte Theorie der Hierarchie menschlicher Bedürfnisse besagt, dass zunächst bestimmte Grundbedürfnisse erfüllt sein müssen, bevor der Mensch nach Individualbedürfnissen strebt. Der Aufbau einer Pyramide hat häufig zu dem falschen Schluss geführt, dass zunächst die untere Bedürfnisstufe vollständig erfüllt sein müsse, bevor die nächste in Angriff genommen wird. Diese Interpretation entspricht nicht dem ursprünglichen Modell. Das eigentliche Modell umfasst dynamische Zusammenhänge und fließende Übergänge zwischen den einzelnen Bedürfniskategorien.
Die ersten drei Stufen betreffen körperliche Bedürfnisse (Nahrung, Wärme und Sexualität), Sicherheitsbedürfnisse und soziale Bedürfnisse. Diese werden auch als die Grundbedürfnisse bezeichnet. Anschließend geht es um individuelle Bedürfnisse wie Anerkennung und Selbstverwirklichung.
Zusammenleben von Frauen und Männern
Letztlich geht es um ein entspanntes Zusammenleben von Frauen und Männern, was gleich mehrere Kategorien von Maslow umfasst. Tangiert davon wird aus naheliegenden Gründen auch die Partnersuche, das Führen einer Partnerschaft und das Gründen einer Familie.
Trotz aller Weiterentwicklung liegen bestimmte Verhaltensprogramme weiterhin in den Genen und werden bewusst, meist jedoch unterbewusst aktiviert. Beispielsweise stellt das Sprechen vor einer größeren Menschenmenge viele vor eine besondere Herausforderung. Im Neandertaler-Programm bedeuten viele Menschen eine potenzielle Gefahr. Die Neandertaler-Reaktion ist Flucht oder Angriff. Da beides bei einem Vortrag ungünstig wäre, entstehen Stress und Unbehagen. Schaut man sich das Verhalten von Fans einer Fußballmannschaft an, zeigen sich ebenfalls Neandertaler-Programme. Es gilt, das eigene Territorium zu verteidigen und den „feindlichen Stamm“ zu besiegen. Bei manchen Fans entsteht allerdings mitunter der Eindruck, dass einige Entwicklungsepochen an ihnen vorbei gegangen sein könnten.
Schaut man sich das typische Einkaufsverhalten von Männern und Frauen an, so könnte dies auch mit prähistorischen Programmen in Verbindung stehen. Während der typische Mann ganz dem Jäger-Habitus folgend zielgerichtet und fokussiert ein neues Hemd „schießt“ und seine Beute dann schnellstens nach Hause trägt, wandert die typische Frau zwischen den Regalen umher, schaut hier und da und ist flexibel in Bezug auf das Produkt. Es mag klischeehaft klingen, ist aber letztlich auf unsere Ur-Programme zurückzuführen. Und natürlich sind nicht alle Männer gleich und alle Frauen gleich. Auch soll es mittlerweile durchaus Spezies geben, die das andere Geschlecht gerne beim Jagen (Frauen) bzw. beim Sammeln (Männer) begleiten.
Jäger und Sammler auf Partnersuche
Auch bei der Partnersuche laufen nach wie vor frühzeitlich geprägte Verhaltensweisen ab. Und früher drehte sich eben vieles vorwiegend um die Fortpflanzung, da so die Arterhaltung im biologischen Sinn sichergestellt werden konnte (und kann). Während der Neandertaler eher darauf aus war, seine Gene möglichst weit zu streuen, heißt, viele Nachkommen zu zeugen, hat sich die Neandertalerin für ihren Nachwuchs gezielt das möglichst beste Exemplar Neandertaler herausgesucht, um damit die Überlebensfähigkeit der Nachkommen zu steigern. Auch wenn es heute nicht mehr in erster Linie um den Nachwuchs geht, ist es weiterhin so, dass die Frau den Mann heraussucht. Es ist dabei die Kunst der Frauen, dem Mann einen gegenteiligen Eindruck zu vermitteln, was ihr auch meistens gelingt.
Ein gewisses Dilemma im Zusammenkommen und -leben von Frauen und Männern entsteht dadurch, dass bestimmte in erster Linie männliche Programme heute nicht mehr benötigt werden. Frauen können sich problemlos selbst versorgen und auch für ihre Sicherheit selbst sorgen. Selbst für den Nachwuchs macht die Medizin Männer inzwischen entbehrlich. Vor allem Männer werden dadurch zunehmend verunsichert, da sie nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen. Der empathische Macho und der heldenhafte Mann, der schon im Voraus weiß, was Frau möchte, bringen die Gattung Mann zunehmend zur Verzweiflung. Und auch der noch so schlaue Jäger, der die Nahrungssuche mit der Paarungssuche verwechselt und seine Beute stolz nach Hause schleppt, weiß meistens nicht, dass er nur deshalb Jagdglück hatte, weil Frau es so wollte.
Das alles ist weder falsch, noch richtig, führt aber häufig zu Missverständnissen zwischen Männern und Frauen. Dabei könnte das Zusammenleben viel harmonischer sein, wenn jeder um seine bei ihm ablaufenden Programme wüsste und die Zusammenhänge kennen und akzeptieren würde. Aus unserer Erfahrung als Partnervermittler und Coaches wissen wir, dass mitunter nur ein wenig Verständnis für den anderen, Reduzierung des eigenen Egos und der Vorstellung, wie bestimmte Dinge sein müssen, notwendig wären für eine verbindliche und glückliche Beziehung.
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