Die Musik spielt weiter
von Martin Göhler
- Thema:
- Partnerschaft
- Beziehungskrise

Bisher galten gemeinsame Urlaube immer als besondere Herausforderung für Partnerschaften. Plötzlich verbringt man 24 Stunden gemeinsam. Ablenkungen durch Arbeit, Freunde, Familien, Hobbys, Sport und Haushalt entfallen vorübergehend. Das Zusammenleben verändert sich. Die Partner müssen sich den neuen Gegebenheiten stellen und sich anpassen. Je besser das gelingt, umso harmonischer und erholsamer ist die Zeit zu zweit. Die aktuellen Ereignisse stellen für Beziehungen eine Nagelprobe dar. Ein Urlaub ist nach ein oder zwei Wochen vorbei. Was tun, wenn es mal länger dauert?
Kennst Du die Geschichte von Wallace Henry Hartley? Wallace war ein begeisterter Violinenspieler. Mit 34 Jahren wurde er Leiter einer achtköpfigen Musikkapelle. Er starb mit der ganzen Band am 15. April 1912 beim Untergang der Titanic im Nordatlantik. Als man seinen Körper etwa zwei Wochen später barg, hatte er seine Geige samt Geigenkasten bei sich. Überlebende haben berichtet, dass die Kapelle bis zum Schluss gespielt hat.
Was hat das mit Partnerschaften und der aktuellen Situation zu tun? Wir befinden uns weder auf hoher See, noch kurz vor dem Untergang. Allerdings haben einige in ihren Beziehungen oder in der Familie gerade den Eindruck, dass der Eisberg immer näher kommt oder es schon eine Berührung gegeben hat.
Gibt es in Deiner Beziehung Eisberge?
Der Eisberg, der der Titanic zum Verhängnis wurde, war bereits da, als das Schiff noch im Hafen ankerte. Auch in Partnerschaften gibt es Eisberge. In „normalen“ Zeiten und bei guter Sicht ist es einfach, sie zu umfahren. In einer Krise oder bei schlechtem Wetter, ist das schwieriger und es kann gefährlich werden.
Gut, wer rechtzeitig Vorsorge getroffen hat, sich mit „seinen“ Eisbergen auseinandergesetzt hat und weiß, wo sie sich befinden. Übertragen auf Partnerschaften oder Familie bedeutet das, Probleme nicht unter den Teppich zu kehren, sich damit abzufinden oder sie einfach zu ignorieren. Spätestens bei veränderter Wetterlage stolpert man sonst leicht über den Berg, den man unter dem Teppich angesammelt hat.
Wer dagegen dem Partner mitteilt, was ihn stört, dem anderen sagt, was verletzt hat, seine Bedingungen und Wünsche mitteilt, hat damit nicht nur die Chance, zu bekommen, was er möchte, sondern auch die Möglichkeit, dauerhaft eine glückliche Beziehung zu führen. Kommunikation, verbal und nonverbal, ist das A und O in Beziehungen und viel mehr, als nur das Salz in der Suppe.
Urlaub auf unbestimmte Zeit
Verlängert sich der „Urlaub“ auf unbestimmte Zeit, stellen einige plötzlich fest, dass es einige Eisberge in ihrer Partnerschaft gibt. Bringen äußere Einflüsse eine Beziehungskrise hervor, kommt es zu Streit und Auseinandersetzungen. Ein „Full-Stop“ der Maschinen wäre ein erster Schritt, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Wut im Bauch, Zornesröte im Gesicht und fliegende Geschirrteile sind ungeeignet für das Finden von gemeinsamen Lösungen. Abkühlung ist angesagt.
Sobald nach Abkühlung der Gemüter ein Gespräch „in Zimmerlautstärke“ möglich ist, wäre eine Möglichkeit, das zur Sprache zu bringen, was bisher tunlichst unter der Decke gehalten werden sollte, möglichst alles.
Ein paar Regeln machen Sinn
Für das Gespräch könnten Regeln vereinbart werden. Zum Beispiel, dass jeder eine bestimmte Redezeit hat, während der der andere zuhört, oder die Vereinbarung, solange zu sprechen, bis eine gemeinsame Lösung gefunden ist.
Gibt es tatsächlich etwas, was Dein Partner „schon immer“ oder „noch nie“ gemacht hat und stimmt das wirklich? Wie wäre es, von dem zu sprechen, was Du möchtest? Ist es nicht günstiger, nachzufragen, als zu interpretieren und eigene Schlüsse zu ziehen? Wie reagierst Du, wenn Dir jemand Vorwürfe macht? Was meinst Du: Würde Dein Partner das mögen? Machst nicht auch Du manchmal Fehler, wünschst Dir, etwas nicht oder anders gesagt zu haben? Könnte das bei Deinem Partner nicht auch so sein? Was bringt es Dir, wenn Du recht hast? Und selbst wenn: Wie wäre es, großzügig zu sein und Fünfe auch mal gerade sein zu lassen?
Ob alles gesagt ist, erkennt Ihr daran, ob beide bereit sind, einen Schlussstrich unter die Streitpunkte ziehen und nach vorne schauen. Gelingt Euch das (noch) nicht, gibt es wahrscheinlich weitere Eisberge, die noch auf Eurem Weg liegen. Findet sie.
Jede Krise geht zu Ende
Das letzte Lied, dass Wallace Hartley mit seiner Band bis kurz vor dem Untergang gespielt hat, soll der Coral Nearer My God To Thee gewesen sein. Du bist mit Deinem Partner nicht auf der Titanic und einen Untergang wird es vermutlich nicht geben.
Es wird die Zeit danach geben, die Zeit nach der Krise. Vielleicht wird das rückblickend der Zeitpunkt gewesen sein, an dem Du für Dich und für Deine Beziehung einiges geklärt und verändert hast. Und vielleicht findet Ihr das Lied You’ll Never Walk Alone dann auch viel passender. Wie auch immer, die Musik spielt für Euch weiter – wenn Ihr sie spielen lasst.
Good luck!
Über den Autor...

Martin Göhler ist Single- und Paarcoach. Mit Unternehmen arbeitet er als Beziehungscoach und unterstützt die Optimierung der Zusammenarbeit von Teams und Mitarbeitern. Weitere Informationen unter www.mg-coaching.de.
Expertisen sammelte er in über 25 Jahren in leitender Funktion in mehreren Wirtschaftsunternehmen sowie in vielen Business- und Lifecoachings. Mehr als 30 Jahre glückliche Partnerschaft und drei erwachsene Kinder bereichern sein Leben und prägen ihn. In den letzten Jahren hat er in verschiedenen Medien zahlreiche Beiträge rund um das Thema Partnerschaft und Beziehung veröffentlicht.
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